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researchgroup for
Late Medieval
Economic History

About Us

Our »researchgroup economic history in the late middle ages« builds on a long tradition. Since the beginning of economic-historical research in the 18th century, the discussions about the respective shares of the economy and history in economic history and the nature of their connection have not stopped. When economics became increasingly mathematized after the Second World War, there was a particularly clear break between the two disciplines in which economic history is located. Since then, economic history has been in a particularly crucial test.

Aktuelle Forschungssituation

Aktuell kann man eine Annäherung der beiden Seiten beobachten: Einerseits wird Historikern wieder stärker bewusst, dass die Analyse von Gesellschaft und Kultur auch ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge voraussetzt. Andererseits kommen Wirtschaftswissenschaftler wieder darauf zurück, dass gerade Wirtschaftswachstum auch von historischen und kulturellen Faktoren abhängt, die nicht einfach als Restgrößen vernachlässigt werden können.

Spätmittelalterliche Wirtschaftsgeschichte

Besondere Reize bietet die Frage, wie eine Wirtschaftsgeschichte des Spätmittelalters betrieben werden kann, da sich hier große methodische Herausforderungen stellen.

Untersuchungszeitraum

Das Spätmittelalter verstehen wir als die Zeit von ungefähr 1250 bis 1600. Mitte des 13. Jahrhunderts setzte eine tiefgreifende Umwälzung der europäischen Wirtschaft ein. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte sich die atlantische Wirtschaft durchgesetzt, der Dreißigjährige Krieg und das folgende westfälische Staatensystem änderten die Rahmenbedingungen für alle wirtschaftlichen Aktivitäten wiederum fundamental.

Organization Team

PD Dr. Tanja Skambraks

Tanja Skambraks is a medieval historian at the University of Mannheim, where she obtained the venia legendi for the subject of medieval history in March 2021. Her habilitation thesis is entitled: "Charitable Credit. The Monti di Pietà, Franciscan Economic Ethics and Urban Social Policy in Italy". The monograph will be published by Steiner Verlag in the spring of 2023 in the VSWG Beihefte series.

 This work contributes to the history of pre-modern (small) credit and banking as well as poor relief and the emergence of decentralised urban welfare in the pre-modern period.

Tanja Skambraks discusses the emergence and genesis of the Monti di Pietà ("Mountains of Mercy") from the mid-15th century to the late 16th century in Italy, with glimpses of Germany into the 17th century. These pawnshops granted small loans to the working poor (craftsmen, day labourers, widows, etc.) against a pledge and a small interest rate. In addition to these emergency loans, which are still in demand today in times of crisis, the monti also functioned as banking institutions by offering giro transactions and deposits. This innovative socio-political project was propagated in particular by Franciscans as a non-profit charity, installed by municipal oligarchs and run by municipal officials.

 In 2014, she received her doctorate from the University of Mannheim with a thesis on the Children's Episcopal Festival in the Middle Ages. The thesis was awarded the University Prize for Language and Science in 2014. Several research stays took her to London, Rome, Perugia and Boston. From 2009 to 2011 she was a scholarship holder of the Gerda Henkel Foundation. She studied Medieval History, English and Communication Studies at the TU Dresden and the University of Edinburgh from 1999 to 2006.

 Her research interests include credit and market participation, debt, business ethics, social work, material culture and ritual studies.

Current research projects:

Wissen – Wirtschaft – Verwaltung. Kerbhölzer im europäischen Mittelalter

Das Projekt verbindet die materielle Kultur mit der Frage nach Techniken der Wissensspeicherung und Verwaltung in europäischer Perspektive zwischen 500 und ca. 1800. Die Hauptquellengrundlage sind Kerbhölzer aus dem „europäischen Norden“ (Großbritannien, deutschsprachiger Raum, Skandinavien, Russland). Inhaltlich knüpft das Projekt an ältere Arbeiten zur Rechts- und Verwaltungsgeschichte sowie die Wissensgeschichte an. Als eine zentrale methodische Säule möchte ich den Ansatz der „material cultural studies“ für die Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte fruchtbar machen. Der Gebrauch von Kerbhölzern war ubiquitär in der gutsherrlichen Landwirtschaft, der Verwaltung von Gemeinschaftsgütern und -rechten, in den Aufzeichnungspraktiken in Klöstern und von Hansekaufleuten, in Privathaushalten sowie am englischen königlichen Schatzamt zum Zwecke der Steuerabrechnung.

Schuldenbruderschaften im frühneuzeitlichen Rom

Wie gingen vormoderne Gesellschaften mit überschuldeten Personen um? Diese Frage beantwortet das Projekt anhand der Geschichte zweier karitativer städtischer Institutionen der Armen- und Schuldnerfürsorge in Rom. Die Arciconfraternita della carità und die Compagnia dei carcerati wurden beide im frühen 16. Jahrhundert gegründet mit dem Ziel, inhaftierten Schuldnern zu helfen, indem sie Stundungen erwirkten, die Schulden teilweise spendenfinanziert beglichen und den Entlassenen ein kleines Startkapital zur Verfügung stellten. Ihr Wirken läßt sich mit der Arbeit heutiger Sozialarbeiter vergleichen.

Städtische Leihhäuser im deutschsprachigen Raum (Nürnberg und Augsburg 15. bis 17. Jahrhundert)

Dieses Projekt knüpft an das Forschungsthema „Kleinkredit“ sowie an vereinzelte Arbeiten zu städtischen Leihhäusern im deutschsprachigen Raum an und untersucht seine Ausprägungen am Beispiel der Leihhäuser der Städte Nürnberg und Augsburg. Beide Pfandleihanstalten wurden nach dem Vorbild der italienischen Monti di Pietà 1618 bzw. 1603 gegründet. Ihre bisher weitestgehend unerforschte Geschichte ist eng verknüpft mit jener der italienischen Leihhäuser. Das Projekt leistet damit zum einen Grundlagenarbeit zu den bisher wenig beachteten Interaktionen städtischer Sozialpolitik zwischen europäischen Städten, die auch in der Rezeption dieser Impulse in der zeitgenössischen Kameralistik und Wirtschaftsethik deutlich wird. Die Ausbildung einer politischen Ökonomie unter staatlicher Führung in der Frühen Neuzeit ist damit angesprochen.

Moralische Ökonomie. Wirtschaftsethik interdisziplinär gedacht

Dieses Forschungsprojekt schließt an das Forschungsfeld der Wirtschaftsgeschichte aus einer ideengeschichtlichen und wirtschaftsethischen Perspektive an. Es verfolgt zudem eine thematische und interdisziplinäre Öffnung. Die Anbindung der mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte an gesellschaftspolitische Diskurse der Gegenwart ist ein zentrales Movens des Vorhabens. Bereits in meiner Forschungsarbeit zu franziskanischer Wirtschaftsethik und städtischer Sozialpolitik bildete das Konzept „moralische Ökonomie“ ein wichtiges heuristisches Instrument. Daran schließt sich die generelle Frage an, wie wirtschaftsethische und überhaupt ethische Normen und Werte ökonomisches Handeln in menschlichen Gesellschaften in der Langzeitperspektive steuern und beeinflussen. Ein Ausgangspunkt für diese Untersuchung ist das von E.P. Thompson 1971 geschöpfte Konzept der moralischen Ökonomie sowie dessen Fruchtbarmachung und Erweiterung durch empirische Forschung einerseits und durch interdisziplinäre Bezüge andererseits. Dass moralische Leitbilder, Wertvorstellungen oder religiöse Werte in der longue durée zu betrachten ein vielversprechendes Unterfangen ist, kann durch einen bereits bei Palgrave zur Publikation angenommenen epochenübergreifenden Sammelband (Skambraks/Lutz 2022) belegt werden.

Julia

Prof. Dr. Ulla Kypta

I'm an assistant professor for medieval and early modern history at the University of Hamburg. Economic history in a broad sense, as a perspective for the study of societies, lies at the heart of my research projects and cooperations. My current research is concerned with merchants' representation in late medieval Europe, especially Antwerp. Besides, I'm interested in the history of the late Hanse as a very specific form of multidimensional political cooperation. My doctoral dissertation was concerned with administrative history and change. I wrote the book as a PhD-student at the University of Frankfurt/Main as part of a project on political language and historical semantics. After that, I went to Basel where I finished my habilitation project on late medieval merchants.

Current research projects:

Kooperativer Individualismus: Wie ließen sich Kaufleute im spätmittelalterlichen Antwerpen vertreten?

Antwerpen zählte um 1500 zu den wichtigsten Umschlagplätzen des europäischen Handels. Kaufleute aus verschiedenen Regionen des Kontinents kamen in die Stadt an der Schelde oder schickten Vertreter dorthin. Meine Studie untersucht, wie Vertretungsbeziehungen unter deutschen Kaufleuten ausgestaltet wurden und wie sie funktionieren konnten in einer Stadt, in der ganz verschiedene Kaufleutegruppen miteinander in Austausch traten, deren Mitglieder sich nicht alle kennen konnten und die von keiner Zentralinstanz reguliert wurden. Die Analyse des städtischen Schriftguts in Antwerpen hat ergeben, dass Kaufleute in drei verschiedenen Formen von Vertretung zusammenarbeiteten, nämlich Gesellschafter, Diener und Bevollmächtigte. Kaufleute aus verschiedenen Regionen gestalteten diese Formen ganz ähnlich aus. Ein besonderes Augenmerk der Studie liegt auf den Bevollmächtigten, und zwar aus zwei Gründen: Erstens legten Vollmachten den Grund für besonders flexible und vielfältige Beziehungen. Zweitens sahen Vollmachten aus ganz unterschiedlichen Städten ähnlich aus, ohne dass eine Zentralinstanz sie reguliert hätte. Sie ermöglichten Kooperation über enge Gruppengrenzen hinweg. Insgesamt wurden die unterschiedlichen Kontore und nationes der Kaufleute in Antwerpen überwölbt von einer größeren Gruppe aller Kaufleute, die eigene Regeln entwickelte und brückenbildendes Sozialkapital bereitstellte. So wurde der Austausch zwischen verschiedenen Kaufleutegruppen ermöglicht.

Kaufleute arbeiteten in dieser Gruppe nicht (nur) zusammen, weil es ihnen unmittelbar nutzte, sondern (auch) weil sie ein langfristiges Interesse daran hatten, dass Kooperation möglich war, weil nur so der Handel funktionieren und damit auch ihre eigenen Geschäfte laufen konnten. Sie agierten weder als Kollektivisten noch als Egoisten, sondern als kooperative Individualisten: Sie hielten sich an Regeln, weil ihr Handel darauf angewiesen war, dass es solche Regeln gab. Kooperation spielte so eine fundamentale Rolle dafür, dass der Handel und damit die Geschäfte jedes Kaufmanns aufrechterhalten wurden, dass sie geradezu für selbstverständlich gehalten wurde. Kooperation erscheint als soziale Notwendigkeit.

Die Hanse in der Frühen Neuzeit

Der letzte Hansetag fand erst im Jahr 1669 statt. Kaufleute aus Hansestädten wie Hamburg oder Danzig beteiligten sich rege am frühneuzeitlichen Atlantikhandel. Trotzdem lässt die Historiographie die Geschichte der Hanse häufig mit dem Ende des Mittelalters ausklingen. Aber wie ging es danach weiter mit hansischem Handel und hansischer Politik? Wie veränderten sich Strukturen und Positionen der Hanse, und welche Rolle spielte sie im Europa der Frühen Neuzeit? Im Forschungsprojekt interessieren wir uns vor allem für die Geschichte der Hansetag des 16./17. Jahrhunderts. Ihnen wurde bisher vergleichweise wenig Aufmerksamkeit zuteil, weil die zugehörigen Quellen – im Unterschied zum 13.-15. Jahrhundert – noch nicht ediert wurden. Sie blieben aber in den Archiven Nordeuropas erhalten. Gerade digitale Methoden bieten neue Möglichkeiten der Auswertung dieser Quellen, die interessante Einblicke in die Verfahren liefern, in denen rechtsgleiche Akteure versuchten, Kompromisse zu finden und Beschlüsse zu fassen. Für diese Projekt kooperieren wir mit der Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums in Lübeck.